15.03.1947
Byrds Oase im Südpoleis
"Alle Karten von der
Antarktis werden geändert werden müssen", erklärte Admiral Byrd bei einer
Pressebesprechung an Bord der "Mount Olympus". Ein paar Stunden später erfuhr es
die Welt.
Seit nahezu einem Vierteljahr kommen von der "Mount Olympus"
Sonderberichte der United Preß von Admiral Byrds Südpolexpedition. Das
Flaggschiff der Expedition hat Presse- und Rundfunkreporter an Bord, zwölf
Herren auf beneidenswert interessantem journalistischem Posten.
Jetzt
meldeten sie, daß die westliche Gruppe der Expedition ihre Arbeiten
abgeschlossen hat und nach Australien unterwegs ist. Im Mai wird die gesamte
Expedition zurückerwartet.
Admiral Richard Evelyn Byrd, der 58jährige
Leiter der Expedition, ist Antarktis-Spezialist, berühmt durch seine Polflüge
und Expeditionen. Die bislang umfangreichsten Forschungsberichte aus dem
Südpolgebiet stammen von ihm. Auch diesmal ist Admiral Richard Cruzon dabei,
Byrds erster Helfer, seit 1939 sein Antarktisgefährte.
Byrd hat die
wissenschaftliche Seite seiner neuen Expedition von Anfang an hervorgehoben. Von
anderer Seite war behauptet worden, das Hauptziel der Unternehmung, des "Sprungs
nach dem Süden", sei, am Pol Uran zu suchen. Es war die Rede davon, daß die USA
sich die strategische Kontrolle über Rohstoffquellen der Atomenergie sichern
wollten. Dies wurde dementiert. Andere Länder meldeten auf alle Fälle
territoriale Ansprüche an.
Anfang Dezember 1946 startete die
4000-Mann-Expedition in zwei Abteilungen, aufs beste und modernste ausgerüstet.
Radargeräte wurden zur präzisen Feststellung von Bodenschätzen mitgenommen.
"Robot"-Wetterstationen, die stündlich automatisch einen Wetterbericht geben.
Geräte, die den Schnee verdichten, so daß schwere Gegenstände nicht einsinken
können. Vorrichtungen zum Formen von Eisblöcken für Flugzeug-Startbahnen. Und
viele andere technische Finessen.
Immerhin vergaß man bei aller
Sorgfalt, etwas sehr Wichtiges einzupacken: die Schneeschuhe. Mehrere tausend
Paare mußten der Expedition mit einem Transporter nachgeschickt
werden.
Anfang Januar 47 traf die Expedition, deren Abteilungen sich am
Panamakanal vereinigt hatten, am Rande des Südeises ein, jener Packeisbarriere,
die das antarktische Landgebiet vom Meer trennten.
Die Expedition
teilte sich in drei Gruppen. Zwei machten sich auf die Fahrt entlang der Küste
in westlicher Richtung die eine, in östlicher die andere. Die dritte, die
Mittelgruppe, lief das Ross-Meer an, um dort eine Landbasis zu
errichten.
Admiral Byrd hatte gehofft, Little America wieder benutzen
zu können, den Platz an der Walfischbucht, wo er früher monatelang seinen
Standort gehabt hatte. In der Tat sichtete ein vorausfahrender Eisbrecher Mitte
Januar die Radiomasten des einstigen Eisquartiers. Allerdings ragten die
ursprünglich 23 Meter hohen Masten nur noch drei Meter aus dem Eis. Ein
Sonderbericht der United Preß schilderte, wie Byrd sich in den unterirdischen
Räumen und Gängen des ehemaligen Lagers mehrere Stunden aufhielt. Er und seine
Begleiter mußten an Stellen, wo die Gänge eingefallen waren, durch kleine
Oeffnungen kriechen.
Der Admiral fand seine Pfeife wieder, die er vor
Jahren hatte liegen lassen. Er setzte sie alsbald in Brand und äußerte
anerkennend, daß "das Zeug noch ganz ausgezeichnet schmecke".
Ein
anderer war so glücklich, seine alte Pelzmütze wiederzuentdecken. Er wunderte
sich nicht, daß inzwischen keiner da gewesen war und sie mitgenommen hatte. Er
hatte sie seinerzeit liegen lassen, weil sie haarte. Sie hatte mit dieser
Ungezogenheit immer noch nicht aufgehört, darum ließ der Mann sie auch diesmal
liegen.
Auf einem Tisch lag noch der Zettel mit dem Inventarverzeichnis
und der Erklärung, daß es sich um Eigentum der USA handele. Es gab auch noch
eine Zeitung aus dem Jahre 1941, die bei Byrds letzter Expedition
liegengeblieben war. Sie berichtete von der Wiederwahl Roosevelts zum
Präsidenten. Auf einer Herdecke fand sich zum Braten vorbereitetes Fleisch und
in einem Schrank Schinken und Geflügel, alles tadellos frisch.
Ende
Februar drohten näherrückende Eismassen, die Mittelgruppe auf ihrer Landbasis
einzuschließen. Byrd gab den Befehl zur Räumung. Die beiden anderen Gruppen
waren sich mittlerweile auf 500 Seemeilen nähergekommen. Sie hatten ihre
Aufgaben im wesentlichen durchgeführt.
Nach den Meldungen, die zuletzt
eingingen, wurden insgesamt 190 000 Quadratkilometer unerforschtes Gebiet vom
Flugzeug aus aufgenommen. 3000 km Küstenlinie wurden neu vermessen. Es gab viele
frühere Irrtümer zu berichtigen. Berge und Buchten, die auf den Karten standen,
gibt es in der Wirklichkeit nicht.
Eine größere Insel, die Byrds letzte
Expedition entdeckt hatte, war inzwischen wieder verschwunden. Außer neuen
Bergen, Buchten, Inseln entdeckte man ein Hochplateau, von dem man meint, daß es
höher als das von Tibet, also das höchste der Welt sei.
Für das
bedeutendste Ergebnis der Polfahrt hält Byrd die Entdeckung einer 104
Quadratmeilen großen "Oase": ein Gebiet mit völlig eisfreien Seen im
Antarktisinnern, mit kegelförmigen Erhebungen bis zu 150 Meter Höhe. Das Wasser
der Seen ist bedeutend wärmer als das des offenen Meeres. Man vermutet
vulkanische Wärmequellen unter diesem Gebiet.
Auch diesmal machte
Admiral Byrd einen Polflug. Er warf die Flaggen der UNO-Länder ab, auf null Grad
südlicher Breite.
In Stunden raste die Maschine über das große weiße
Schweigen, zu dessen Ueberwindung im Schlitten der norwegische Polforscher Roald
Amundsen mühselige Wochen gebraucht hat und in dem der Engländer Captain Robert
Scott, von dem Norweger bei dem Wettrennen zum Pol 1912 um kurze Zeit
geschlagen, zugrunde ging.
Eine neue Geographie und eine alte Pfeife
bringt Byrd mit (und junge Schlittenhunde)
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-41121444.html